Aufführungsdatenbank

Die Meistersinger von Nürnberg

Besetzung 2010

Musikalische Leitung

Sebastian Weigle

Regie

Katharina Wagner

Bühnenbild

Tilo Steffens

Kostüme

Michaela Barth

Tilo Steffens

Chorleitung

Eberhard Friedrich

Licht

Andreas Grüter

Hans Sachs, Schuster

James Rutherford

Veit Pogner, Goldschmied

Artur Korn

Kunz Vogelgesang, Kürschner

Charles Reid

Konrad Nachtigal, Spengler

Rainer Zaun

Sixtus Beckmesser, Stadtschreiber

Adrian Eröd

Fritz Kothner, Bäcker

Markus Eiche

Balthasar Zorn, Zinngießer

Edward Randall

Ulrich Eisslinger, Würzkrämer

Florian Hoffmann

Augustin Moser, Schneider

Stefan Heibach

Hermann Ortel, Seifensieder

Martin Snell

Hans Schwarz, Strumpfwirker

Mario Klein

Hans Foltz, Kupferschmied

Diógenes Randes

Walther von Stolzing

Klaus Florian Vogt

David, Sachsens Lehrbube

Norbert Ernst

Eva, Pogners Tochter

Michaela Kaune

Magdalene, Evas Amme

Carola Guber

Ein Nachtwächter

Friedemann Röhlig

Termine

  • Montag, 02. August 2010
  • Donnerstag, 05. August 2010
  • Donnerstag, 12. August 2010
  • Sonntag, 15. August 2010
  • Donnerstag, 19. August 2010
  • Samstag, 28. August 2010

Von Robert Sollich

Hier gilt’s der Kunst – Aber welcher?

Zur Neuinszenierung der "Meistersinger von Nürnberg", 2007

Die Meistersinger von Nürnberg gelten nicht von ungefähr als Künstlerdrama par excellence. Kaum ein Werk des Opernrepertoires ist thematisch so dicht bei sich selbst. Über drei Akte und rund viereinhalb Stunden wird hier immerhin über das Singen gesungen und die Funktion der Kunst in der Gesellschaft gestritten. Wobei es durchaus vertraute Konflikte sind, die einem da begegnen: Es geht um das Erbe der Tradition und die Frage, wie mit diesem umzugehen sei; ob das Heil der Kunst also im Vertrauen gegenüber erprobten Konventionen und der steten Reaktualisierung klassischer ästhetischer Werte liege. Oder aber lebendige Kunst, im Gegenteil, erst im Bruch mit der Tradition bzw. aus deren kritischer Anverwandlung heraus entstehe und ihre Kraft aus der Differenz gegenüber mitgebrachten Erwartungshaltungen beziehe. Es geht um etwaige Eigenarten nationaler Theaterkulturen, um das Problem, wie man mit fremden Texten verfahren kann, darf und soll, sowie schließlich um die Frage, woran sich die Kunst letztlich überhaupt zu orientieren habe: An verbindlichen poetischen Regeln? Einem Expertendiskurs der Kunstkritik? Oder doch dem Interesse des breiten Publikums? Wenn diese Kontroversen auf der Festwiese kulminieren, dann befinden wir uns mitten im heißumkämpften Feld des Musiktheaters.

Die den Meistersingern eigene Selbstreflexivität als Künstlerdrama erweist sich insofern als von besonderer antizipatorischer Qualität. Mit seiner ganz persönlichen querelle des anciens et des modernes nahm Wagner nicht nur einiges der Kulturkämpfe um die Kunst der Avantgarde vorweg, sondern so gesehen ein Stückweit auch seine eigene Wirkungsgeschichte. Die Meistersinger von Nürnberg lassen sich paradoxerweise gleichsam als ein Stück über Die Meistersinger von Nürnberg lesen, wobei freilich offen bleibt, für welcherlei Kunstverständnis sie unter dem Strich selbst stehen. Wagner verhält sich mit seinem Stück ähnlich widersprüchlich und wechselhaft wie die Protagonisten in seinem Stück, angefangen bei Walther von Stolzing, dem zunächst so genialischen Revolutionär, den die von ihm so arg bekämpften (sozial-)ästhetischen Normen und Konventionen auf der Festwiese wieder einholen. Ähnlich ambivalent agiert auch Hans Sachs, dessen erklärter Modernismus, nachdem der Streit um die Kunst in einem offenen Gewaltausbruch mündete, in einen durchaus aggressiven Konservativismus umschlägt. Ausgerechnet Sixtus Beckmesser, der verstockte Traditionalist, avanciert im Stückverlauf hingegen zum (wenngleich „unfreiwilligen“) Vertreter einer Zukunftsmusik, in dessen musikalischen Idiomen das 20. Jahrhundert Prinzipien des Dadaismus und der freien Atonalität vorweggenommen sah.

Unverkennbar rekapituliert Wagner in seinen unterschiedlichen Figuren auch die eigene Biographie und seine sich in deren Verlauf wandelnden politischen und ästhetischen Positionen. In den Meistersingern überlagern diese sich wie in einem Palimpsest – und zwingen die Interpreten insofern in besonderem Maße zu eigenen ästhetischen Positionen.

Die Meistersinger von Nürnberg

In drei Aufzügen


Libretto: Richard Wagner
Originalsprache: Deutsch
Uraufführung: 21. Juni 1868 München

Personen

Hans Sachs, Schuster (Bassbariton)
Veit Pogner, Goldschmied (Bass)
Kunz Vogelsang, Kürschner (Tenor)
Konrad Nachtigall, Spengler (Bass)
Sixtus Beckmesser, Stadtschreiber (Bariton)
Fritz Kothner, Bäcker (Bass)
Balthasar Zorn, Zinngießer (Tenor)
Ulrich Eislinger, Würzkrämer (Tenor)
Augustin Moser, Schneider (Tenor)
Hermann Ortel, Seifensieder (Bass)
Hans Schwarz, Strumpfwirker (Bass)
Hans Foltz, Kupferschmied (Bass)
Walther von Stolzing, ein junger Ritter aus Franken (Tenor)
David, Sachsens Lehrbube (Tenor)
Eva, Pogners Tochter (Sopran)
Magdalena, Evas Amme (Mezzosopran)
Ein Nachtwächter (Bass)

Handlung

Nürnberg, Mitte des 16. Jahrhunderts.

Erster Akt

Der fränkische Ritter Walther von Stolzing ist Gast des reichen Goldschmieds Veit Pogner. Er hat als Letzter seiner Familie die Burg verlassen und ist nach Nürnberg gekommen, um hier das Bürgerrecht zu erlangen. Beim Gottesdienst in der Katharinenkirche erblickt er Pogners Tochter Eva und ist von ihr bezaubert. Er erfährt von ihrer Amme Magdalena, dass ihr Vater sie demjenigen zur Braut bestimmt habe, der am folgenden Tag beim öffentlichen Wettstreit der Meistersinger den Preis erringe. Als Eva erkennen lässt, dass sie ihn oder keinen erhören will, lässt er sich von David, dem Lehrbuben des Hans Sachs, das Wesen und Wirken der Meistersinger und ihre komplizierten Regeln erklären, während die anderen Lehrbuben die Kirche für die Zunftberatung der Meistersinger vorbereiten. Walther ist entschlossen, den Preis zu gewinnen und bittet Pogner, ihn in die Zunft aufzunehmen, was von dem gleichzeitig eintretenden galligen Stadtschreiber Beckmesser, einem Mitbewerber um Evas Hand, mit Misstrauen aufgenommen wird.

Nach dem Eintreffen aller Meistersinger ergreift Pogner das Wort und erklärt den Anwesenden seinen der Liebe zur Kunst entsprungenen Entschluss, sein einziges Kind dem Sieger im Wettgesang zur Ehe zu geben (»Das schöne Fest Johannistag«). Hans Sachs äußert Bedenken, gibt sich jedoch damit zufrieden, dass Eva das Recht haben solle, den Gewinner abzulehnen; sie müsse dann aber ledig bleiben. Nun wird Walther den Meistern als neuer Bewerber vorgestellt, der den zweifelnden Bürgern erklärt, die Sangeskunst durch die Bücher des Walther von der Vogelweide und in der Natur von den Vögeln erlernt zu haben (»Am stillen Herd«).

Er muss ein Probelied singen, das von Beckmesser als dem strengen »Merker« beurteilt werden soll, indem er jeden Fehler mit Kreide auf einer Tafel verzeichnet. Nachdem ihm Fritz Kothner noch einmal die Regeln der »Tabulatur« erklärt hat, singt Walther ein strahlendes Lied von Liebe und Lenz (»Fanget an – so rief der Lenz in den Wald«), das von Beckmesser durch stetiges Kratzen mit der Kreide gestört und von den Meistern wegen seiner Neuartigkeit völlig missverstanden wird – er hat »versungen und vertan«. Während die Meister erregt die Kirche verlassen, bleibt Hans Sachs sinnend zurück – er fühlt, dass dies ein Fehlurteil aus Unverständnis der an die starren Regeln glaubenden Meistersinger ist.

 

Zweiter Akt

Auf der Straße vor den Häusern Pogners und Sachsens tanzen abends die Lehrbuben. David berichtet seiner Freundin Magdalena von dem Versagen des Ritters, was sie heimlich der eben mit ihrem Vater heimkehrenden Eva zuflüstert. Pogner erklärt seiner Tochter die Bedeutung des morgigen Wettsingens. Sie aber ist zerstreut und zieht den Vater trotz des schönen milden Abends rasch ins Haus. Hans Sachs hat seinen Arbeitstisch ins Freie gestellt, doch der Sommerabend und die Gedanken an das Erlebte lassen ihn nicht los (»Was duftet doch der Flieder«). Es ist dunkel geworden, Eva schleicht aus dem Haus und will Sachs über das Abschneiden des Ritters beim Probesingen ausfragen. Durch geschickte Antworten und Fragen erfährt Sachs von Evas Liebe zu Walther. Gewiss hat er, der Witwer, manchmal daran gedacht, selbst Eva zu erringen, doch nun will er den Liebenden helfen, was er Eva allerdings noch nicht merken lässt. Als er ihr derb von Walthers Versagen berichtet, verlässt sie ihn enttäuscht. Als Magdalena ihr erzählt, dass Beckmesser ihr ein Ständchen bringen will, tauscht sie mit ihr die Kleider, damit Magdalena für sie die lästige Serenade entgegennehme.

Walther, der nach seinem Versagen beim Probesingen nicht mehr an seinen Erfolg glaubt, eilt herbei, um Eva zur gemeinsamen Flucht zu überreden, was von Hans Sachs, der dies belauscht, dadurch verhindert wird, dass er aus seinem Haus einen Lichtschein auf die Straße fallen lässt. Beckmesser erscheint gerade jetzt, um sein Ständchen zu bringen. Die Liebenden verbergen sich im Schatten einer Linde und werden Zeugen eines seltsamen Spiels: Sachs hat seinen Arbeitsplatz wieder vor das Haus verlegt und stört den Gesang des verliebten Beckmessers durch ein von lauten Hammerschlägen begleitetes, beziehungsreiches Lied (»Jerum, jerum, hallo, hallo, he«), in dem von der schlimmen Eva im Paradies die Rede ist, in der wiederum die deshalb etwas betretene Eva unter der Linde sich zu erkennen glaubt. Beckmesser ist über die Störung seiner Serenade, hinter der er – nicht ganz zu Unrecht – eine Bosheit des Schusters vermutet, wütend. Nach kurzem Streit einigen sie sich dahin, dass Sachs den »Merker« spielen und mit Hammerschlägen auf die Schuhe, an denen er arbeitet, die Fehler im Lied Beckmessers markieren soll. Der beunruhigte Stadtschreiber verstößt dabei so oft gegen die Regeln der Tabulatur, dass Sachs am Ende des Lieds mit den Schuhen – es sind Beckmessers eigene – ganz fertig geworden ist. Durch den Lärm sind die Nachbarn geweckt worden. David erkennt am Fenster von Pogners Haus seine Magdalena und stürzt sich wütend auf den vermeintlichen Nebenbuhler Beckmesser. Rasch entspinnt sich eine allgemeine Prügelei, in deren Verlauf Eva in ihrem Haus verschwindet und der Ritter Walther von Sachs in sein Haus gebracht wird. Das Horn des Nachtwächters beendet die gespenstische Szene, bald ist die mondbeschienene Straße wieder friedlich und verlassen.

Dritter Akt 

Am sonnigen Johannismorgen sitzt Hans Sachs in seiner Werkstatt und empfängt freundlich die Namenstagswünsche seines wegen der nächtlichen Prügelei noch zerknirschten Lehrbuben David. Er versinkt in tiefes Sinnen über die menschlichen Schwächen (»Wahn, Wahn, überall Wahn«). Walther von Stolzing kommt nach kurzer Ruhe in die Stube und erzählt Sachs von einem schönen Traum, den er auf Anregung des Meisters gleich nach den Regeln der Kunst in Verse setzt. Daraus soll ein Meisterlied für den Wettgesang werden. Der begeisterte Sachs schreibt das Gedicht mit.

Als der Schuster Walther aus dem Raum geleitet hat, erscheint der völlig zerschlagene, geprügelte, hinkende Beckmesser und stiehlt vom Tisch das Gedicht, das er in blinder Wut für ein Werbelied des Hans Sachs hält. Als der Schuster wieder in die Stube kommt, überschüttet Beckmesser ihn nach anfänglicher geheuchelter Freundlichkeit mit bitteren Vorwürfen, muss jedoch gleichzeitig zugeben, das Gedicht eingesteckt zu haben. Als Sachs ihm versichert, nicht zum Wettgesang antreten zu wollen und ihm das Gedicht sogar schenkt, »damit er kein Dieb sei«, wandelt sich Beckmessers unstetes Gefühl in übertriebene Freundlichkeit. Rasch will er nach Hause eilen, um es noch zu lernen.

Festlich gekleidet erscheint Eva, von Schuldgefühlen gegenüber dem verständnisvollen Sachs geplagt. Doch dieser führt ihr nun Walther zu, den Evas schöner Anblick zum letzten Vers seines Meisterliedes inspiriert. Eva bekennt Hans Sachs ihre aufrichtige Zuneigung. Er versteht es, seine innere Bewegung hinter ironischen Worten zu verstecken. Magdalena und David treten ein und erfahren von Sachs die Geburt einer neuen Meisterweise; die »Morgentraumdeutweise« soll sie heißen. David wird durch eine Ohrfeige zum Gesellen geschlagen. Alle sind ergriffen und bewegt (Quintett »Selig wie die Sonne«).

Auf der Festwiese an der Pegnitz ziehen die Abordnungen der Zünfte in feierlichem Marsch ein. Hans Sachs wird vom Volk bejubelt (Chor »Silentium! ... Wach auf!«). In einer ernsten Ansprache weist er auf den Sinn des Wettgesangs hin (»Euch macht ihr's leicht«). Dann werden die Kandidaten aufgerufen. Beckmesser hat das Gedicht völlig missverstanden und trägt es so verdreht vor, dass ihn das versammelte Volk auslacht und verhöhnt. Wütend bezeichnet er Hans Sachs als Verfasser der unsinnigen Verse, dieser jedoch weist den Vorwurf zurück und behauptet, das Lied sei schön, wenn es nur richtig gesungen werde. Als Zeugen dafür ruft er den wahren Dichter der Verse auf: Nun tritt Walther von Stolzing in den Kreis und trägt das Lied gleich einem Hymnus für Eva mit höchster Vollendung vor (»Morgendlich leuchtend im rosigen Schein«).

Unter dem Beifall der Menge will Pogner ihn nun in die Zunft der Meistersinger aufnehmen, doch Walther hat die Ablehnung vom gestrigen Tag noch nicht ganz verwunden und will die Ehrenkette zurückweisen. Ohne Meisterwürde will er allein mit Eva selig sein. Da tritt Sachs dazwischen und hält Walther mit eindringlichen Worten die Bedeutung des Meistertums für die deutsche Kunst vor Augen (»Verachtet mir die Meister nicht«). Alle feiern jubelnd Hans Sachs und seine Weisheit (»Ehrt eure deutschen Meister«).

 


Harenberg Kulturführer OperMit freundlicher Genehmigung entnommen aus:

© Harenberg Kulturführer Oper,
5. völlig neu bearbeitete Auflage,
Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus