Aufführungsdatenbank

Das Rheingold

Besetzung 2010

Musikalische Leitung

Christian Thielemann

Regie

Tankred Dorst

Bühnenbild

Frank Philipp Schlößmann

Kostüme

Bernd Skodzig

Dramaturgie

Norbert Abels

Wotan

Albert Dohmen

Johan Reuter
20.8. (Umbesetzung)
(20.8)

Donner

Ralf Lukas

Froh

Clemens Bieber

Loge

Arnold Bezuyen

Fricka

Mihoko Fujimura

Freia

Edith Haller

Erda

Christa Mayer

Alberich

Andrew Shore

Mime

Wolfgang Schmidt

Fasolt

Kwangchul Youn

Fafner

Diógenes Randes

Diógenes Randes
20.8. (Umbesetzung)
(20.8)

Eric Halfvarson
20.8. (Umbesetzung)
(20.8)

Woglinde

Christiane Kohl

Wellgunde

Ulrike Helzel

Floßhilde

Simone Schröder

Termine

  • Dienstag, 27. Juli 2010
  • Sonntag, 08. August 2010
  • Freitag, 20. August 2010

Von Norbert Abels, 2006

Anmerkungen zu Tankred Dorsts Inszenierung des „Rings der Nibelungen“

Rheingold

Mehr als ein Vierteljahrhundert währte der Auseinandersetzungsprozess mit dem Nibelungenstoff. Wagners Weg führte über gründlich recherchiertes sagenkundliches Gestein, darunter das genaue Lesen und Ausdeuten der Edda-Dichtungen, im Verlaufe der Riesenarbeit immer mehr in den Seelenraum seiner Gestalten. Wotan etwa war ursprünglich noch der Ur- und Stammvater, aufsteigend aus dem Ursitz der Religionen und Sprachen, der Repräsentant des Patriarchats, aus dessen Stammbaum Siegfried – der „Licht- oder Sonnengott“ – hervorgehen sollte, der erneut den Kampf gegen die aus dem Schoße der Nacht und des Todes heraufdringenden Alben der Dunkelheit aufnehmen sollte. Sein Tod war von Anfang an beschlossene Sache.

 

Wagner dachte zunächst nur an eine große Heldenoper mit dem Titel: „Siegfrieds Tod“. Bald wurde ihm klar, dass es ohne die Vorgeschichte nicht ging. Er erzählte von Siegfrieds inzestuösen Eltern und von Wotans weiblicher Schutztruppe, schließlich von den naturdämonischen Anfängen, von Wasser, Feuer, Schöpfung und Untergang.

 

Je größer das Unternehmen geriet, desto detaillierter gestaltete sich die unvergleichliche musikalische Psychologisierungstechnik, die unaustauschbare Charakteristik der Figuren, der leitmotivische Nexus des Ganzen, der durch und durch hermetische Raum der Familiensaga. Am Ende stand ein geschlossenes Werk des 19. Jahrhunderts, durchaus vergleichbar mit der großen Sinfonik Beethovens oder den epischen Universen eines Balzac oder Tolstoi.

 

Die Lesbarkeit des „Ringes“ als mythischer Anspruch und als psychologisierendes Verfalls- und Untergangsdrama gab bei den ersten Inszenierungen schon höchst unterschiedliche Auslegungen vor. 130 Jahre nach der Bayreuther Uraufführung entdeckt gleich ein kurzer Blick auf die Aufführungsgeschichte die unterschiedlichsten Optionen. Darunter: der wie in Marxens Verelendungstheorie prognostizierte Untergang des Kapitalismus, der Verfall der patriarchalischen Gesellschaftsordnung, ein ins Mythische und Kolossalische aufgeblähtes Familiendesaster, die Allegorie des Prozesses von Depotenzierung schlechthin oder auch nur Beispiele romantischer Dämonie oder gründerzeitlicher Megalomanie.

 

Wie auch immer: die Inszenierungsgeschichte gleicht einem Kaleidoskop, worin einer identisch bleibenden Summe von Elementen jeweils ein verschiedener Konfigurationsvorgang zugrunde liegt. Die Zeit, ihre Unausweichlichkeit, ihr Unsinn, aber auch ihre Explosion bildet den Cantus firmus in Dorsts Werk. Das große experimentelle und unausdeutbare Theaterspiel vom Zauberer „Merlin“ erhebt diese „sinnliche Gewissheit“ zum Ausgangspunkt aller Dinge. Golgatha ist immer noch und überall, auch auf den Schuttbergen, Müllhalden und Industriegebieten unserer urbanen Metropolen. Unsere Idole und Stars bergen die Erinnerung an die Ritter der Tafelrunde. Immer wieder bricht das Archaische durch die Netze unserer Tüncharbeiten.

 

Tankred Dorsts Bayreuther „Ring“ nimmt die Götter als Götter, die Halbgötter als Halbgötter und die Menschen als Menschen an. Die archaischen Gestalten sind in und um uns. Die Frage, welcher Realitätsgrad ihnen zukommt und ob sie nicht am Ende nur unsere Vorstellungen sind, ist für Dorst nicht entscheidend. Für die Welt des Poeten können Imaginationen den gleichen Wahrheitskoeffizienten beanspruchen wie empirische Fakten. Wie in Sartres „Das Spiel ist aus“ die Toten uns – für die Lebenden unsichtbar – immerfort umgeben, tauchen sie in all ihrer Fremdheit in der heutigen Welt auf. Sie kommen aus der Tiefe der Zeit, sind ortlos geworden, vagabundieren auf dem zunehmend transzendenzlos gewordenen Planeten herum, manifestieren sich an verlassenen Schauplätzen, in öden Räumen.

 

In „Rheingold“ erscheint solch ein Raum – es könnte eine verfallende Hochhausterrasse oder ein kaum noch aufgesuchter Ausblicksplatz sein – im zweiten und im vierten Bild, wenn die Götter und die Riesen aufeinander stoßen.

 

Das erste Bild führt wirklich auf den Grund des Rheines. Die drei Rheintöchter foppen den Nachtalben Alberich mit virtuellen Bildern. Der Zwerg jagt ihnen nach. Seine Wut darüber, dass sie nicht fleischlich, nicht sinnlich werden, gebiert den Fluch, die Abkehr von der Liebe. Alberichs Enttäuschung ist höchst zeitgemäß, im Zeitalter einer durch nichts mehr limitierten Überflutung durch die Unwirklichkeit der inszenierten Bilder. Die Klüfte Nibelheims offenbaren einen großen Maschinen- und Armaturenraum, gleichsam das Heizwerk der Zivilisation. Ein Angestellter des Betriebes ahnt bei seinem Kontrollgang nicht im geringsten, was sich um ihn herum abspielt.

 

Hinter der zeitgenössischen Fassade aber gähnt der Schlund des Urzeitlichen. Durch die dünne Kulturdecke können jederzeit die Tiere des Abgrundes hereinbrechen.

Der Ring des Nibelungen

Ein Bühnenfestspiel für drei Tage und einen Vorabend


Das Rheingold

Libretto: Richard Wagner
Originalsprache: Deutsch
Uraufführung: 22. September 1869 München

Personen

Wotan Gott (Bassbariton)
Donner Gott (Bariton)
Froh Gott (Tenor)
Loge Gott (Tenor)
Fricka Göttin (Mezzosopran)
Freia Göttin (Sopran)
Erda Göttin (Alt)
Alberich Nibelung (Bass)
Mime Nibelung (Tenor)
Fasolt Riese (Bass)
Fafner Riese (Bass)
Woglinde Rheintocher (Sopran)
Wellgunde Rheintocher (Mezzosopran)
Floßhilde Rheintocher (Alt)

Handlung

Auf dem Grund des Rheins, auf Bergeshöhen am Rhein, in der Tiefe Nibelheims, Zeit der deutschen Mythologie.

Erste Szene

Auf dem Grund des Rheins spielen die Rheintöchter und bewachen das auf einem Felsenriff ruhende Rheingold. Der gierige Nibelung Alberich stellt ihnen nach und möchte eine der Nixen festhalten. Sie aber verspotten ihn und entkommen. Die in den Rhein fallenden Sonnenstrahlen lassen das Gold leuchten. – Alberichs Begehrlichkeit wendet sich dem Schatz zu, der unermessliche Macht in sich birgt. Doch nur derjenige, der für immer der Liebe entsagt, wird daraus den Ring schmieden können, der seinem Träger die Weltherrschaft verleiht. Wütend reißt Alberich das Gold an sich, verflucht die Liebe und verschwindet mit seiner Beute hohnlachend in der Tiefe. Die Klagen der Rheintöchter folgen ihm.

Zweite Szene

In einem unbewaldeten Gebirge erwacht der Göttervater Wotan aus tiefem Schlaf. Mit seiner Gemahlin Fricka betrachtet er die neue Götterburg, die ihm die Riesen Fasolt und Fafner gebaut haben (»Wotan, Gemahl, erwache«). Wotan hat mit den Riesen eine unselige Abmachung getroffen und ihnen als Lohn für den Bau Freia, die Göttin der ewigen Jugend, versprochen, die Fasolt wegen ihrer Schönheit begehrt, Fafner aber zum Sturz der Götter ausnutzen will, weil sie allein die goldenen Äpfel hegt, die den Göttern die ewige Jugend bringen. Wotan verweigert den Riesen den versprochenen Lohn und vermag sie bis zum Eintreffen des listigen Feuergotts Loge hinzuhalten, von dem er schlauen Rat erhofft.

Loge erzählt, dass er die Welt durchstreift und erfahren hat, welche Macht sich Alberich durch den Gewinn des Rheingolds geschaffen hat (»Immer ist Undank Loges Lohn«). Die Riesen werden von Gier nach dem Gold ergriffen und erklären sich bereit, auf Freia zu verzichten, wenn ihnen Wotan dafür das Gold herbeischaffe. Freia schleppen sie als Pfand mit sich fort. Am Abend wollen sie wiederkommen, um sie gegen den Hort einzutauschen. Nun muss Wotan sich mit Loge auf den Weg in die Tiefen von Nibelheim machen, um Alberich das Rheingold zu entreißen.

Dritte Szene

In den Tiefen der Erde herrscht Alberich grausam über die geknechteten Nibelungen. Er zerrt seinen Bruder Mime herbei und verlangt von ihm einen Tarnhelm, den der kunstreiche Schmied ihm anfertigen musste. Winselnd verkriecht sich Mime, während Alberich den Helm aufsetzt und unsichtbar wird. Wotan und Loge finden den geschundenen Mime und erfahren von ihm die Zauberkraft des Tarnhelms. Misstrauisch kommt Alberich zurück, lässt sich aber durch Loges schmeichlerische Reden überlisten und zur Vorführung des Helms überreden: Zunächst verwandelt er sich in einen riesigen Drachen, doch als er sich auf Loges schlaue Frage, ob er sich auch ganz klein machen könne, in eine Kröte verwandelt, wird er von den Göttern festgehalten und an die Oberwelt geschleppt, nachdem ihm Loge den Tarnhelm entrissen hat.

Vierte Szene

Als die drei auf der Höhe angekommen sind, muss sich Alberich die Freiheit durch Preisgabe des Nibelungenhorts erkaufen. Auf seinen Befehl bringen die Zwerggestalten die Schätze. Auch der Tarnhelm wird dazugelegt. Schließlich fordert Wotan von Alberich den Ring, den er an der Hand trägt. Verzweifelt wehrt sich Alberich; mit ihm verliert er alle Macht. Doch Wotan entreißt ihm den Ring und steckt ihn selbst an den Finger. Da spricht Alberich einen furchtbaren Fluch über den Ring (»Wie durch Fluch er mir geriet, verflucht sei dieser Ring«): Jeder soll gierig nach seinem Besitz streben, doch jeden, der ihn besitzt, soll der Fluch verderben (»Ein goldner Ring... Bin ich nun frei?«). Alberichs Fesseln sind gelöst; er verschwindet in der Finsternis.

Gleichzeitig mit Wotan und Loge kehren auch die beiden Riesen mit Freia zurück, um ihren Lohn zu fordern. Fasolt fordert, dass das Gold so hoch aufgeschichtet werden müsse, bis Freia gänzlich dahinter verschwunden sei. Widerwillig häufen die Götter das Gold, doch selbst der Tarnhelm ist nicht genug; noch leuchtet Freias Auge hindurch. Nur noch der Ring des Nibelungen ist übrig geblieben. Auch ihn fordern die Riesen. Als Wotan sich ungestüm weigert, ihn zu opfern, erscheint Erda, die allwissende Mutter der Welt, aus der Tiefe und warnt Wotan vor Alberichs Fluch (»Weiche Wotan, weiche«). Da entschließt sich der Göttervater schweren Herzens, den Riesen auch den Ring zu überlassen. Und schon fordert der Fluch sein erstes Opfer: Kaum im Besitz des Goldes, geraten die Riesen in Streit; Fafner erschlägt Fasolt, um allein im Besitz des ganzen Horts zu bleiben. Besorgt will Wotan zu Erda hinabsteigen, um von ihr die Zukunft der Götter zu erfahren. Fricka hingegen weist ihn auf die schwer errungene Burg hin, die auf ihren Herrn warte. Donner reinigt die Atmosphäre durch ein Gewitter (»Heda! Heda! Hedo!«), dann ziehen die Götter über einen von Froh gelegten Regenbogen in die Burg (»Zur Burg führt die Brücke«) ein, deren Pracht Wotan preist (»Abendlich strahlt der Sonne Auge«). Loge äußert sich verächtlich über die Götter, denen er sich überlegen weiß. Aus der Tiefe hört man die Klagen der Rheintöchter um das verlorene Gold.

 


Harenberg Kulturführer OperMit freundlicher Genehmigung entnommen aus:

© Harenberg Kulturführer Oper,
5. völlig neu bearbeitete Auflage,
Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus