Aufführungsdatenbank

Götterdämmerung

Besetzung 2014

Termine

  • Freitag, 01. August 2014, 16:00 Uhr
  • Freitag, 15. August 2014, 16:00 Uhr
  • Mittwoch, 27. August 2014, 16:00 Uhr

GÖTTERDÄMMERUNG

Patric Seibert über den "Ring des Nibelungen" (2013)

 

Die ersten Überlegungen zur Neuinszenierung des Rings für die Bayreuther Festspiele 2013 gingen zunächst in die Richtung eine Übersetzung für das Rheingold und den daraus geschmiedeten Ring zu finden. Hierbei stießen wir auf das Öl als Grundmotiv, in das auch das von Udo Bermbach ausführlich bearbeitete Thema einer durch gescheiterte Machtpolitik ruinierten Welt in die Inszenierung einfließen konnte, da dieses auch unserer Wagnersicht sehr nahe kam.

Doch sehr schnell bemerkten wir, dass wir mit einer bloßen Gleichsetzung Gold/Ring = Öl zu kurz greifen würden. Erstens ist Richard Wagner in seiner Musik wie in seiner dramatischen Vorlage zu konkret – ein solcher Eingriff würde die Werke ihres Witzes und ihrer Anarchie berauben und den Gesamtaufbau zerstören. Und zweitens wäre es auch aufgrund der äußeren Umstände der Inszenierungsarbeit kaum möglich gewesen, ein solches Konzept stringent durchzuführen, ohne dass es Reibungsverluste gegeben und Glättungen bedurft hätte. Das sollte vermieden werden.

Trotzdem war das Thema Öl gesetzt und eröffnete den Weg in die Geschichte des 20. Jahrhunderts, an dessen Schwelle Richard Wagner stand und für die er nicht nur im Bereich der Musik Wegmarken setzte, sondern auch philosophiegeschichtlich wie ein Brennglas wirkte. Von Hegel und Feuerbach kommend, bereitete er den Weg für eine Kunst des Abgründigen und Zwielichtigen und wies so auch den Weg in Richtung der Existenzialisten und zu Freud. Seine Interpretation von Schopenhauers Text Über das Geistersehen, die er 1870 in seinem Beethoven-Essay niederlegte, enthält die Beschreibung des Angstschreis als menschlicher Uräußerung an das Gehör. Der vereinzelte, entfremdete Mensch der Produkt- und Produktionswelt mit seinen Albträumen und Verstümmelungen wird thematisiert.

Wie wir sehen, gibt es kein „Ende der Geschichte“ nach dem Zusammenbruch der sozialistischen Staaten, vielmehr ist ein neuer Krieg ausgebrochen und an die Stelle des Kalten Krieges getreten. Ein Krieg um Ressourcen, die immer knapper werden und auf die der Zugriff um jeden Preis gesichert werden muss. In diesem Krieg, der auch ein Informationskrieg ist, sind alle Mittel erlaubt, denn die Interpretationsgewalt über die Geschichte behält der Sieger – so werden Fakten veränderbar, Bilder retuschierbar – die Realität fragwürdig.

Deshalb ist Geschichte auch nicht unbedingt linear zu denken. Wie beim Zappen oder Surfen, wird das Fragment immer mehr zum Fanal der Freiheit – auch dies wieder ein Fingerzeig aus der deutschen Romantik. Niemand kann mehr alles wissen – das Ideal des universal gebildeten Menschen der Aufklärung weicht dem Experten, dem Nerd und Schmalspurfachmann. Schnell generierte und gesammelte Informationen können kaum mehr in einen Gesamtkontext eingeordnet werden, Bruchteile geben einen Eindruck vom Großen und Ganzen – nur eine diskontinuierliche Erzählstruktur kann einer so fragmentarisierten Welt gerecht werden.

So nimmt die Erzählung in den USA zur Zeit der großen Hollywood Technicolorfilme – der scheinbar unbegrenzten Konsummöglichkeiten – ihren Anfang, springt dann nach Baku, wo in den 1880er Jahren ein Ölboom aufkam, in den Nobel und Rothschild als Unternehmer investierten und der für den jungen Josef W. Dschugaschwili (den späteren Stalin) zum Katalysator auf seinem Weg zum radikalen Revolutionär wurde.

Aus der ideologischen Steinzeit geht es rasch in den sozialistischen Realismus, wo man das Fürchten lernen kann. In einer Welt, in der alles aus Plastik gemacht ist, vergisst man schnell, woraus „Plaste und Elaste“ hergestellt sind. Die großen Ölkonferenzen der RGW*-Staaten in den 50er Jahren ließen das sowjetische Rohöl in die DDR fließen, von wo aus die Sekundärprodukte nicht nur in den Ländern der Warschauer Vertragsorganisation weitergehandelt wurden. Die Industriegebiete bei Leuna und Bitterfeld, die schon synthetischen Treibstoff für die Wehrmacht des Deutschen Reiches hergestellt hatten, spielten wieder eine große Rolle. Der Weg führt von Baku über die IG Farben zu Buna ... endet er an der New Yorker Börse?

Wahrscheinlich nicht – denn die Möglichkeit eines bösen Scherzes ist nicht auszuschließen. Vielleicht befinden wir uns auch nur im wirren Traum eines mongolischen Schamanen, der in der Steppe vor seinem Feuer sitzt, in die Flammen blickt und in dessen Bewusstsein Welten wie Seifenblasen auffliegen und dahinschweben...


Empfohlene Literatur:
Richard Wagner: Beethoven
Søren Kierkegaard: Der Unglücklichste/Der Begriff Angst
Arthur Schopenhauer: Über das Geistersehn und was damit zusammenhängt
Simon Sebag Montefiore: Der junge Stalin
Viktor Pelewin: Buddhas kleiner Finger/Tolstois Albtraum
Thomas Seifert/Klaus Werner: Schwarzbuch Öl


Filme:
Panzerkreuzer Potemkin (R: Sergej Eisenstein)
Tschapajew (R: Sergej und Georgji Wasilijew)
There will be blood (R: Paul Thomas Anderson)
Giant (R: George Stevens)


* Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW), 1949-1991; wirtschaftlicher Zusammenschluss der sozialistischen Staaten unter Führung der Sowjetunion.

Der Ring des Nibelungen

Ein Bühnenfestspiel für drei Tage und einen Vorabend

 

Dritter Tag: Götterdämmerung

In einem Vorspiel und drei Aufzügen

Libretto: Richard Wagner
Originalsprache: Deutsch
Uraufführung: 17. August 1876 Bayreuth

Personen

Siegfried (Tenor)
Gunther (Bariton)
Hagen (Bass)
Alberich (Bass)
Brünnhilde (Sopran)
Gutrune (Sopran)
Waltraute (Mezzosopran)
Erste Norn (Alt)
Zweite Norn (Mezzosopran)
Dritte Norn (Sopran)
Woglinde Rheintochter (Sopran)
Wellgunde Rheintochter (Sopran)
Floßhilde Rheintochter (Sopran)

Handlung

Ort und Zeit der deutschen Mythologie.

Vorspiel

Auf dem Walkürenfelsen sitzen in tiefer Nacht die drei Nornen, am Seil des Schicksals spinnend. Sie erzählen einander, dass Wotan den Untergang der Götter beschlossen hat. Die Welt-Esche, das Symbol seiner Herrschaft, hat er fällen und die Scheite um Walhall schichten lassen. Sobald der fluchbelastete Ring den Rheintöchtern zurückgegeben sei, wolle er den Brand in die Burg werfen; die Götterdämmerung werde sich erfüllen. Das goldene Seil der Nornen reißt. Sie versinken in der Tiefe. In der Morgendämmerung treten Siegfried und Brünnhilde ins Freie. Er nimmt von ihr Abschied, es zieht ihn zu neuen Fahrten. Brünnhilde gibt ihm ihr Ross Grane. Er lässt ihr als Pfand seiner Treue den Ring zurück (»Zu neuen Taten, teurer Helde«). Das Orchester schildert »Siegfrieds Rheinfahrt«.

Erster Akt

In der Halle der Gibichungen am Ufer des Rheins herrscht Gunther. Mit ihm wohnen dort Gutrune, seine Schwester, und Hagen, sein Halbbruder, der Sohn, den Alberich liebelos gezeugt hat. Hagen erzählt Gunther von Brünnhilde, die auf dem flammenumgebenen Felsen ruhe. Nur der Stärkste, Siegfried der Drachentöter, könne sie für ihn gewinnen. Durch einen Vergessenstrank müsste Siegfried an Gutrune gefesselt werden und Brünnhilde für Gunther freien.

Schon hört man Siegfrieds Horn auf dem Fluss. Er wird von Gunther willkommen geheißen. Durch Hagen erfährt Siegfried, welche Bewandtnis es mit dem Tarnhelm hat. Der zauberische Vergessenstrank, von Hagen gereicht, tut alsbald seine Wirkung, Siegfried vergisst Brünnhilde und entbrennt in Liebe zu Gutrune. Er bittet Gunther um ihre Hand, auch ist er bereit, Brünnhilde mithilfe des Tarnhelms für Gunther zu gewinnen. Mit feierlicher Blutsbrüderschaft wird der Pakt besiegelt. Nun ist auch Siegfried dem Fluch des Rings verfallen. Sogleich brechen Gunther und Siegfried zum Brünnhildenstein auf. Hagen bleibt sinnend zurück (»Hier sitz' ich zur Wacht«). Er hofft auf den Ring und die Herrschaft über die Welt.

Auf dem Walkürenfelsen erwartet Brünnhilde Siegfrieds Rückkehr. Ihre Schwester Waltraute eilt zu ihr, Wotans Gebot missachtend, wonach sich niemand ihr nähern darf. Sie berichtet von der Not der Götter, deren Untergang bevorstehe. Mit ergreifenden Worten schildert sie Wotans Resignation (»Seit er von dir geschieden«). Flehentlich bittet sie Brünnhilde, den Ring freiwillig den Rheintöchtern zurückzugeben, doch diese weist das Ansinnen, Siegfrieds Liebesgabe zu opfern, stolz zurück, mag auch Walhall zugrunde gehen. Klagend eilt Waltraute fort. – Siegfrieds Hornruf erschallt. Freudig will Brünnhilde ihm entgegeneilen, doch zu ihrem Entsetzen sieht sie einen Fremden durch die Flammen schreiten, nicht ahnend, dass Siegfried selbst es ist, der durch den Tarnhelm Gunthers Gestalt angenommen hat. Nach kurzem Ringen entreißt er ihr den Ring und befiehlt ihr, in das Felsengemach zu gehen, wo er Nothung zwischen sie und sich legt, um zu bekunden, dass er dem Blutsbruder die Treue gewahrt hat.

Zweiter Akt

Vor der Gibichungenhalle wacht Hagen, als ihm sein Vater Alberich erscheint, um seinen Hass gegen Siegfried und die Götter anzuschüren und ihn zum Gewinn des Rings aufzufordern. Im Schlaf gelobt Hagen, dem Vater treu zu sein, wie dieser es fordert. Siegfried hat sich durch den Tarnhelm zur Halle zurückversetzen lassen, um vor den anderen wieder bei Gutrune zu sein. Er berichtet Hagen und Gutrune von der gelungenen Werbung, worauf Hagen mit gewaltigem Ruf alle Männer versammelt und sie auffordert, zur Hochzeit zu rüsten (»Hoiho, ihr Gibichsmannen!«).

Gunther trifft ein und stellt die bleiche Brünnhilde, die kaum den Blick zu heben wagt, seinem Gefolge vor. Als er sie Siegfried und Gutrune entgegenführt, weicht Brünnhilde entsetzt zurück. Siegfried scheint sie nicht zu kennen. Fassungslos erfährt sie, dass er mit Gutrune verlobt ist. An seiner Hand erblickt sie den Ring.

Nun durchschaut sie den Betrug und klagt Siegfried offen an, dass er es war, der sie in Gunthers Maske bezwungen habe. Siegfried aber, durch den Zaubertrank der Erinnerung beraubt, weiß nur, dass er den Ring einst dem Drachen abgewonnen und dem Blutsbruder Gunther die Treue gehalten hat. Bei des Speeres Spitze schwört er einen heiligen Eid auf die Wahrheit seines Worts, doch Brünnhilde entreißt ihm den Speer und bekräftigt, dass sie es ist, deren Worte der Wahrheit entsprechen. Mit einer übermütigen Bemerkung über die Launen der Frauen sucht Siegfried die Situation zu entschärfen. Er führt Gutrune in die Halle.

Brünnhilde bleibt mit Hagen und Gunther allein zurück. Sie sinnt auf Rache für Siegfrieds Treuebruch, den sie nicht begreifen kann. Hagen versteht es, ihr zu entlocken, dass Siegfried am Rücken verwundbar sei. Morgen auf der Jagd will er ihn hinterrücks überfallen. Auch Gunther, der bisher unentschlossen und schwankend war, stimmt dem Plan zu, bedauert jedoch Gutrune, der man sagen wird, ein wilder Eber habe Siegfried getötet. Hagen scheint dem Ziel seiner finsteren Pläne nahe. Als sich Brünnhilde und Gunther in die Halle begeben wollen, kommt ihnen Siegfrieds und Gutrunes Hochzeitszug entgegen, dem sie sich widerstrebend anschließen.

Dritter Akt

Siegfried hat sich auf der Jagd in ein wildes Waldtal am Ufer des Rheins verirrt, wo er mit den spielenden Rheintöchtern zusammentrifft. Sie bitten ihn um den Ring. Er ist fast dazu bereit; doch als sie ihm weissagen, dass er noch heute sterben müsse, wenn er ihn behielte, weigert er sich, den Ring wegzugeben.

Die Jagdgesellschaft mit Gunther und Hagen findet sich ein. Hagen reicht Siegfried einen Erinnerungstrank. Der Aufforderung, von seinen Heldentaten zu erzählen, kommt Siegfried gern nach (»Mime hieß ein mürrischer Zwerg«). Die Erinnerung kommt ihm wieder, und nach der Erzählung vom Kampf mit dem Drachen berichtet Siegfried auch von der Gewinnung Brünnhildes. Nun erscheint sein Meineid erwiesen. Hagen heißt ihn, zwei Raben nachzublicken, die gerade über ihm fliegen. Als Siegfried ihm dabei den Rücken zuwendet, durchbohrt er ihn mit seinem Speer. Sterbend grüßt Siegfried klaren Blickes noch einmal Brünnhilde (»Brünnhilde, heilige Braut«).

In feierlichem Trauerzug wird der Tote auf die Schilde gehoben und zur Gibichungenhalle getragen (»Trauermarsch«). Dort erwartet Gutrune voll düsterer Ahnungen die Rückkehr Siegfrieds. Hagen trifft als Erster ein und verkündet Gutrune den Tod ihres Gatten. Offen bekennt er, dass er selbst ihn erschlug, dann fordert er von Gunther den Ring. Als sich dieser weigert, erschlägt Hagen auch ihn. Dann will er selbst Siegfried den Ring vom Finger ziehen. Als aber der Tote drohend die Hand erhebt, weicht er schaudernd zurück.

Brünnhilde erhebt die Totenklage um Siegfried, da sie nun alle Zusammenhänge kennt (»Starke Scheite schichtet mir dort«). Sie lässt einen gewaltigen Scheiterhaufen für Siegfried errichten. Dann nimmt sie den Ring an sich, entzündet den Holzstoß mit einer Fackel und reitet mit ihrem Ross in die Flammen (»Mein Erbe nun ... Grane, mein Ross, sei mir gegrüßt«). Der Rhein tritt über die Ufer und lässt die Halle einstürzen, die Rheintöchter ziehen Hagen, der bis zuletzt versucht, den Ring an sich zu bringen, mit sich in die Tiefe. Freudig halten sie den wiedergewonnenen Ring in die Höhe. In einem Feuerschein am Himmel sieht man das von Flammen eingehüllte Walhall; das Ende der Götter ist gekommen. Wotans Schicksal hat sich erfüllt.

 


Harenberg Kulturführer OperMit freundlicher Genehmigung entnommen aus:

© Harenberg Kulturführer Oper,
5. völlig neu bearbeitete Auflage,
Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus