Inszenierung
Die Bayreuther Fassung für 2026 vertritt die These, dass, wäre es um 1871 zu einer Fassung „letzter Hand“ gekommen, Rienzi ganz sicher auch seinen Platz in den Bayreuther Kanon der Werke „ab dem Fliegenden Holländer“ gefunden hätte. Denn auch die zehn Werke des sogenannten „Bayreuther Kanons“ basieren ja weder auf einem Testament noch auf maßgebliche Formulierungen in der Stiftungsurkunde der Richard-Wagner-Stiftung-Bayreuth, sondern ausschließlich auf Briefstellen Wagners an König Ludwig II. von Bayern aus dem Jahre 1882.
Das Team hat sich um eine Fassung bemüht, die die o.g. Überlieferungsschichten ebenso sorgfältig in Betracht gezogen hat wie die Rezeptionsgeschichte. Gleichfalls wurde die Rienzi-Philologie der letzten Jahrzehnte ebenso genau berücksichtig. Darüber hinaus hat
das Team versucht, neue Quellen zu erschließen bzw. verloren geglaubte Teile der Partitur zu rekonstruieren.
Form und Werkgestalt führen natürlich (wie oben bei Siegfried Wag ner) unweigerlich zur Frage von Kürzungen und Abläufen. Auch dabei folgte das Team der musikalischen Dramaturgie genauso wie Wagners – auch späteren – Selbsteinschätzungen. Wenn Wagner (in dem o.g. wichtigen Jahr 1871) schreibt, „dem Rienzi sollten sie doch das Feuer ansehen; ich war Musikdirektor und schrieb eine große Oper; daß dieser Musikdirektor ihnen hernach solche Nüsse zu knacken gegeben hat, das sollte sie wundern“, bemerkt man die Wertigkeit dieses „Feuers“, das für die späteren „Nüsse“ genauso unabdingbar
war wie „jedes Finale wie ein Taumel, ein besoffener Unsinn von Leiden und Freude“ (1878). Aber auch Selbstkritisches, wie die „Leeren, die man aufschraubt, wenn einem nichts einfällt.“ (1879) fand bei der Fassung für 2026 Beachtung. Nicht nur eine nachvollziehbare Abfolge der Handlungsstränge war dem Team wichtig, sondern auch die Binnenstruktur der einzelnen musikalischen Nummern. Hier spielt auch die „ungesunde“ Beziehung Rienzis zu seiner Schwester Irene eine wesentliche Rolle. Nicht nur, weil sie auf die spätere Inzest-Konstellation in der Walküre verweist, sondern auch, weil sie für die emotionale – und damit musikalisch ausgeformte – Dreiecksgeschichte Rienzi-Irene-Adriano grundlegend ist. Für das Regiekonzept stand also die Frage vor Augen, wo Wagner die Psychologie und die Emotionalität der Figuren in ihrer Tiefe musikalisch ausgelotet hat. Es schien wichtiger der Frage nachzugehen, was die Politik aus den Menschen macht und nicht umgekehrt, und wo die musikdramatische Bearbeitung dieser Fragen im Notentext auffindbar ist. Diese emotionalen Konstellationen – vor einem Hintergrund der politischen Geschichte – generieren überhaupt erst die überragende Qualität der einzelnen Nummern und Szenen.
Selbst wenn Wagner nur den Rienzi geschrieben hätte, ist die Oper ein einzigartiges Meisterwerk sui generis, das auch ohne die Autorenschaft des späteren Bayreuther Meisters seinen Platz in der Gattungsgeschichte des europäischen Musiktheaters gefunden hätte.